karl ludwig kirchberger
   





 

Jetzt zu dem traurigen Kapitel. Schon bei meiner Geburt wurde auf meinem Rücken, der linken Pobacke und dem linken Oberschenkel eine Verfärbung festgestellt, die man nach mehreren Ultraschall- und einer Kernspinuntersuchung als Lymphhämangiom diagnostizierte. Am 21. Februar 2002 wurde das Lymphhämangiom erfolgreich operiert; alles lief glatt und ich durfte am 6. März das Nürnberger Südklinikum verlassen.

Anfang Juni begann aber erneut das Wachstum des Hämangioms. Ausgehend von der Bauchdecke wuchs es so rasant, dass ich am 19. Juni stationär aufgenommen wurde. Kaum angekommen, wurde ich auf die Intensivstation verlegt; ich hatte ein sogenanntes Kasabach-Merritt-Syndrom entwickelt; dabei zerstört der rasch wachsende Tumor die Blutplättchen und die Blutgerinnung. Am Samstag, den 22. Juni, verschlechterte sich mein Zustand so, dass nur eine kurzfristig angesetzte operative Tumorreduktion durch Dr. Leriche, der Chefärztin der Kinderchirurgie, mich retten konnte. Das hohe Risiko dieser OP führte dazu, dass ich um 21:45 Uhr von meinen Eltern notgetauft wurde.

mein letzter platz

Die Operation dauerte die ganze Nacht. Die schlimmste seines Lebens, sagt mein Vater, der seitdem graue Haare hat... bei jedem Geräusch auf dem Flur ist er aufgeschreckt, weil er geglaubt hat, jetzt wäre es vorbei. Aber ich war zäh, und habe die OP gut überstanden. Was auch für eine zweite Notoperation am 1. Juli galt - wegen der schlechten Blutgerinnung war die Wunde geplatzt. Mittlerweile war klar, dass es sich bei der Krankheit nicht um ein normales Hämangiom handeln konnte. In Wahrheit hatte ich ein sogenanntes kaposiformes Hämangioendotheliom; ein äusserst seltener aggressiver Weichteiltumor, wie Prof. Harms aus Kiel feststellte.

Mitte Juli ging es mit mir sogar wieder richtig bergauf. Aber niemand konnte sich so recht erklären, warum ich immer so unruhig war. Bis dann bei einer Computertomographie festgestellt wurde, dass der Tumor bereits entlang der Wirbelsäule gewachsen war und Teile der Lendenwirbelsäule und des Beckens zerstört hatte. Die Unruhe kam von den schrecklichen Schmerzen... dann bekam ich aber sehr viel Morphium und es ging mir richtig gut. Ich konnte wieder lachen und auch spielen; wegen meiner zerstörten Knochen wurde ich in ein zweischaliges Gipskorsett gepackt.

Meine Eltern haben mich jeden Tag besucht. Die ganzen sieben Wochen war die Kinderintensivstation CU 1.4 ihre zweite Heimat; das galt auch für meinen Bruder Leo, dem es dort gar nicht gefallen hat. In Absprache mit den Ärzten der Stuttgarter Studie zu Weichteiltumoren wurde eine Medikamententherapie begonnen. Leider hat sie nicht mehr viel bewirken können. Der Tumor wuchs weiter und zerstörte grosse Teile des kleinen Beckens. Am 31. Juli wurde eine erneute OP durchgeführt, um einen künstlichen Darmausgang zu legen; mehr zu machen, hatte keinen Sinn mehr. Ich bin auch nicht mehr von dieser OP aufgewacht.

Am 2. August haben sich meine Eltern nach intensiver Diskussion mit den Ärzten dazu entschlossen, auf weitere Massnahmen zu verzichten. Um 15:15 Uhr wurden die kreislaufunterstützenden Medikamente abgesetzt. Mein Vater hat mich in seine Arme genommen; meine Mutter hat mir die Hand und die Füsse gehalten. Um 18:15 Uhr war mein Kampf beendet.

Meine Krankheit ist extrem selten. Eigentlich weiss man erst seit 1997 um die besonderen Eigenschaften dieser Tumore; vorher hat man sie mit den normalen Hämangiomen gleichgesetzt. Vielleicht lesen ja andere Eltern, deren Kind diese Diagnose hat, diese Seiten. Meine Eltern geben ihr zwangsweise erworbenes Wissen zum Thema (u.a. umfangreiche Links aus dem Internet) auf Anfrage gerne weiter.